Die vedische Kultur
Das Wagenfest
Die jährliche Ratha-yatra-Parade (das ,,Wagenfest") ist eines der größten religiösen Veranstaltungen Indiens. Zu dieser Festlichkeit kommt der Herr des Universums, Lord Jagannatha mit Seinen beiden Geschwistern (Lord Balarama und Sri Subhadra devi) auf drei, für die Parade extra errichteten, gigantischen Wägen. Bei dieser Tradition zeigt der Herr Seine Barmherzigkeit allen Lebewesen gegenüber, denn Er verlässt einmal im Jahr Seinen Tempel um jedem die Möglichkeit zu bieten Ihn persönlich zu treffen, Ihn zu sehen und von Ihm gesehen zu werden. Durch die Internationale Bewegung für Krishna Bewusstsein erfreuen sich Millionen von Pilgern nicht nur in Indien, sondern heutzutage in allen großen Städten der Welt. In Deutschland wird ein jährliches Ratha Yatra in Berlin, Leipzig, Hamburg, Köln, Frankfurt und München gefeiert.
Die schönen Künste
Für Vaishnavas besteht zwischen Kunst und Yoga kein Widerspruch, ja sie ergänzen einander. Im Allgemeinen geht es auf dem Pfade des Yoga um die Beherrschung der Sinne und das Abstandnehmen von sinnlicher Erfahrung. Vaishnavas hingegen beschreiten den Pfad des bhakit-yoga, auf dem die Sinne für die Suche nach dem Göttlichen gebraucht werden. In diesem Zusammenhang erklärt der Schriftsteller Ananda Coomaraswamy (1877-1947), langjähriger Abteilungsleiter für Indische Kunst am "Museum of Fine Arts" in Boston, dass die künstlerische Inspiration in Indien ,,dem Geiste der Verehrung enspringt - der innigen, leidenschaftlichen Hingabe an eine persönliche Gottheit". Er weist darauf hin, dass in Indien die Absicht ,,des Liebenden" (d.h. des Künstlers) darin besteht, ,,eine persönliche Beziehung mit dem Objekt seiner Liebe (d.h. mit Gott) herzustellen", und dass das ,,plastische Symbol" (d.h. das Kunstwerk) überhaupt erst zu diesem Zweck in Angriff genommen wird.
Bezaubernde Dichtung
,,Wie lieblich ist die Wohlgestalt meines geliebten Herrn!
Lieblicher noch Sein Antlitz, mit Zügen gar so fein.
Am lieblichsten jedoch, so glaube es mir gern,
Ist Sein sanftes Lächeln, wie Honig so süß und rein," - Bilvamangala
Einer von Krishnas vielen Namen ist Uttamashloka - ,,jemand, der mit den erlesensten Worten gepriesen wird". So wird beispielsweise Krishnas Körpertönung mit einer dunklen Regenwolke verglichen, Seine Augen mit Lotosblumen und die Ausstrahlung von Seinen Zehennägeln mit dem Schein des kühlenden Herbstmondes. Ohne poetische Sprache und spirituelle Erkenntnis, sei es unmöglich spirituelle Themen zu beschreiben.
Die ursprüngliche Dichtung wurde in der Sprache Sanskrit verfasst und in Mantras festgehalten. Die vier Veden, insbesondere das Srimad Bhagavatam, das Mahabharata und das Ramayana sind die größten poetische Schriftwerke der Menschheit.
Mantra-Meditation
Mantra bedeutet, das was den Geist befreit. Das Hare-Krishna-Maha-Mantra, der ..große Gesang zur Befreiung“, wird von den Vaishnava-Schriften als das mächtigste Mantra betrachtet, da es die Kraft aller anderen Mantren auf der Welt beinhaltet. Das Maha-Mantra lautet wie folgt: ,,Hare Krishna Hare Krishna Krishna Krishna Hare Hare Hare Rama Hare Rama Rama Rama Hare Hare“. Da dieses ganz besondere Mantra von spiritueller Natur ist, wird es nie langweilig und ein stetiges Rezitieren wird ohne Zweifel tiefe Zufriedenheit und Selbsterkenntnis bringen. Das Hare-Krishna-Mantra ist der Schlüssel zum Herzen, denn dieser transzendentale Klang wird besonders in diesem hektischen Zeitalter zur Besinnung und persönlicher Verbindung mit Gott empfohlen.
Heilige Schriften
Der Ayurveda ist ein Teil von den Veden. Veda bedeutet Wissen. Während sich der Ayurveda mit der ganzheitlichen und ursprünglichen Heilkunst befasst, bieten die vedischen Schriften insgesamt eine Gebrauchsanweisung für alle Aspekte des Lebens. Wichtige weltanschauliche Aspekte sind die Reinkarnation sowie das Gesetz des Karma, die uns ein eindeutiges Verständnis der Begriffe Leben, Tod, Glück, Schicksal, sowie eine klare Vorstellung über unsere Rolle in diesem Universum liefern. Weiterhin geben uns die vedischen Schriften Aufschluss über die Entstehung des Universums, die Geschichte der Menschheit und vieles mehr. Diese heiligen Texte wurden ursprünglich vom Höchsten Herrn an das erste Lebewesen Brahma übermittelt und sind somit auch in der ältesten Sprache der Welt, Sanskrit verfasst. Durch eine autorisierte Schülernachfolge wurde das Wissen bis in die heutige Zeit weitergegeben. Das Leben bietet eine Menge Vielfalt und so sind auch die Veden für alle Bereiche und Details des Lebens ausgelegt. Diese spirituelle Schrift beinhaltet eine zeitlose und unveränderbare Philosophie, die das Ziel hat den Leser und Ausführenden zur Selbsterkenntnis zu führen und Krishna (Gott) zu erkennen. Ein Studium der vedischen Schriften führt somit zum Erfolg des menschlichen Lebens unabhängig von Ort, Zeit und Umständen.
Ayurveda
Ayurveda (,,die Wissenschaft vom Leben“) ist ein uraltes System der Naturheilkunde. Die Grundlagen der ayurvedischen Wissenschaft wurden vor etwa fünftausend Jahren, also noch vor den Anfängen der chinesischen Medizin, schriftlich niedergelegt (im Atharva Veda). Die ayurvedische Wissenschaft enthält hochdetaillierte Beschreibungen von ausgereiften Heilverfahren. Der Ayurveda beschreibt den psychophysischen Zustand eines Menschen anhand von drei doshas (,,Säfte“): vata (Luft/Wind), pitta (Feuer/Galle) und kapha (Erde/Schleim). Je nach der körperlichen Gesamtkonstitution eines Menschen dominiert einer dieser drei Säfte. Krankheit, so erklären die ayurvedischen Texte, sei auf eine Unausgewogenheit der drei Lebensenergien zurückzuführen. Laut Ayurveda kann man seine Gesundheit durch ein Ausbalancieren der doshas wiederherstellen. Störungen in diesem Gleichgewicht lassen sich beheben durch durch individuelle Korrekturen der Ernährung, durch einen geregelten Tagesablauf, sorgfältige Körperpflege sowie durch eine positive Umgebung und lebensbejahende Gedankenmuster. Die medizinische Anwendung von Nahrung und Kräutern spielt in der ayurvedischen Wissenschaft eine bedeutende Rolle und richtet sich individuell nach der körperlichen Konstitution.
Vedische Astrologie
Astrologie ist in Indien seit frühester Zeit eine anerkannte Wissenschaft. Die Methoden der vedischen Astrologie unterscheiden sich von denen der westlichen, wenngleich es auch Übereinstimmungen und Parallelen gibt. Manche sagen, die westliche Astrologie zeichne klarere Persönlichkeitsbilder, während die vedische Astrologie genauer zutreffende Voraussagungen mache. Es heißt, dass ein guter vedischer Astrologe bestimmte Fakten über das Karma (vorangegangene Handlungen) eines Menschen erkennen und folglich dessen Schicksal beschreiben kann.
Allerdings gibt es heutzutage kaum noch qualifizierte vedische Astrologen (ein jahrelanges Studium und intuitive Weisheit sind erforderlich). Wenn beispielsweise Regen vorausgesagt wird, können wir uns mit diesem Wissen auf den Regen einstellen und einen Regenschirm mitnehmen. Dennoch verstehen Vaishnavas die Astrologie nur als Zusatz zu dem Wissen, welches sie aus den Veden erhalten und nicht als absolute Wissensquelle. Sie wissen, dass letzlich Krishna der Lenker aller Geschicke ist und da Krishna den freien Willen des Lebewesens respektiert, kann sich das Schicksal des Einzelnen jederzeit ändern.
Heilige Architektur
Indiens spirituelle Architektur hat eine sehr alte Tradition und ist ebenso in ganz Asien, Indonesien und anderen Teilen der Welt zu finden. Grundlagen dieser Tradition finden sich in den Puranas und anderen Schriften, wie vor allem dem Shilpa-shastra (verfasst von Vishvakarma, dem Architekten der Halbgötter) und den Vastu-shastra.
Nennenswert sind außerdem die Shulba-sutras, die geometrische Details für die Errichtung von Darbringungsstellen enthalten. Vaishnava-Tempel werden strikt nach mathematischen Berechnungen erbaut; Grundlage der Kostruktion ist eine yogische geometrische Figur (das so genannte Vastu-purusha Mandala) die dazu dient, das Gebäude zu weihen.
Viele Menschen sind hocherstaunt von der komplizierten Bauart der ägyptischen Pyramiden, während die weltweit vedischen Bauwerke eher selten erwähnt werden. Diese einzigartige Kunst und das Wissen darüber, aus riesigen Steinklötzen sehr hohe Gebäude zu bauen, welche unglaublich detailliert handgefertigt sind und äußerst langlebig, ist heutzutage aufgrund des "industriellen Fortschritts" beinahe gänzlich verloren gegangen.